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Zur Person
Julius Caesar Scaliger, der 1484 in Riva del Garda, einem Ort am Nordufer des Gardasees in der Region von Trentino, geboren wurde und in Agen im südlichen Frankreich am 21.10.1558 verstarb, beschäftigte sich sowohl mit philosophischen und ästhetischen bzw. poetischen Fragen als auch mit philologischen Themen; außerdem war er als Arzt tätig. Insbesondere im Bereich der Philosophie, Poetik und Philologie ist er in seiner Zeit von vielen mit höchster Anerkennung bedacht worden. Aber auch sein Einfluss beispielsweise auf die Entwicklung der Dichtkunst in Deutschland ist unbestritten. Bekannt wurde Scaliger auch durch seine scharfe und teilweise maßlose Polemik gegen bekannte Gelehrte seiner Zeit. Nebenher wird von ihm berichtet, dass er über ungewöhnliche Körperkraft verfügt haben soll.
Familie und Ausbildung
Biographische Aussagen über Scaliger sind teilweise umstritten, da seine eigenen Aufzeichnungen über sein Leben von einigen Wissenschaftlern nicht bestätigt werden können. Nach den Angaben Scaligers entstammt er dem Hause della Scala, das lange Zeit in Verona zu den herrschenden Familien zählte. Er soll Maximilian I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches aus der Habsburg-Dynastie, Pagendienste verrichtet und fast 20 Jahre im Dienste des Kaisers als Soldat (später im Range eines Hauptmanns) gewirkt haben. Er selbst schreibt, dass er häufige Korrespondenz mit den bedeutsamsten Gelehrten und Dichtern der Zeit geführt und bei Albrecht Dürer studiert habe. Nachdem er das Militär mit einigen Auszeichnungen vorläufig verlassen hatte, immatrikulierte sich Scaliger 1514 an der Universität Bologna und blieb dort bis ins Jahr 1519. Nach einem längeren Aufenthalt bei der Familie della Rovere, wo er auch teilweise wieder militärisch aktiv war, widmete er sich wegen einer Gichterkrankung nur noch seinen Studien. Im Jahre 1525 war Scaliger als Begleitung des Bischofs von Agen als Arzt tätig. 1528 heiratete er die sehr junge Andiette de Roques Lobejac, die ihm 15 Kinder gebar; sein dritter Sohn war der später berühmte Gelehrte Joseph Justus Scaliger.
Scaliger und sein Werk
Im Jahre 1531 entwarf Scaliger eine Schrift gegen einen der damals berühmtesten europäischen Gelehrten und Humanisten, nämlich Erasmus von Rotterdam. Er verteidigte in seiner „Rede“ insbesondere Cicero, der von Erasmus in dessen Schriften kritisiert wurde. Die von vielen Gelehrten als „Schmähschrift“ aufgenommene Rede Scaligers wurde u. A. wegen seiner exquisiten Kenntnisse der lateinischen Sprache gerühmt, allerdings wegen der z. T. aggressiven und unflätigen Sprache getadelt. Zudem geht die Schrift nach Meinung einiger Gelehrter an der Argumentation Erasmus vorbei. Weil sich Scaliger in der Gelehrtenwelt zu stark angegriffen fühlte, verfasste er eine zweite Schrift, die aber noch mehr Beleidigungen seiner Widersacher enthielt.
Insgesamt verfasste Scaliger in seinen Leben über 20 längere Schriften, darunter beispielsweise die philosophische Betrachtung von 1551, die sich mit den Thesen Cardans unter dem Titel „Exerciationes“ auseinandersetzte.
Scaligers wichtigste Schrift
Als bedeutsamstes Werk von Julius Caesar Scaliger gilt „Poetices libri semptem“ von 1561, das erst nach seinem Tode erschien. Für die damalige Zeit wird das Werk über die Dichtkunst als die wohl einflussreichste Schrift gesehen. Das Werk ist im humanistischen Gedankengut dieser Zeit zu sehen und entwickelt unter starkem Einfluss der poetischen Ansätze von Aristoteles Regeln für die literarische Arbeit. Allerdings muss beachtet werden, dass der Einfluss Aristoteles‘ im Werk Scaligers Grenzen hat, weil er klassische Dichtkunst und Rhetorik zu vereinbaren sucht. Auch die Einflussnahme Platons beispielsweise ist kaum zu übersehen, nicht zuletzt deshalb, weil Scaliger davon ausgeht, dass sich Dichter göttlich inspirieren lassen. Für Scaliger ist das Epos, weniger die Tragödie an oberster Stelle der literarischen Gattungen anzusiedeln. Darüber hinaus spricht sich Scaliger für den Gebrauch von Versformen in der Dichtung aus, was bei Aristoteles kaum von Belang ist. Sein Werk über die Dichtkunst, das viele aggressive und feindselige Ausfälle gegen einige Gelehrte der damaligen Zeit enthielt, hatte im Übrigen noch erhebliche Bedeutung in der Literatur sowohl des 17. als auch des 18. Jahrhunderts.
Zusammenfassende Würdigung
Scaliger muss nach wie vor als einer der bedeutendsten Gelehrten der 16. Jahrhunderts gesehen werden. Seine Leistungen, ob in der Philosophie oder Dichtkunst, sind unbestritten. Ihn zeichnete ein für die damalige Zeit umfangreiches Wissen aus, das zu scharfsinnigen Schlussfolgerungen führte. Er hatte u. A. in Aristoteles sein großes „Vorbild“, aber versuchte immer, dessen Erkenntnisse mit den vorfindbaren Tatsachen zu vereinbaren. Scaligers Polemik ist legendär, diente aber nicht zuletzt dazu, seine eigenen Thesen an den nach seiner Einschätzung falschen Ansätzen anderer Gelehrter zu erproben und mit Leidenschaft, nicht selten auch mit aggressivem Anstrich, zu vermitteln.