Die Opferschau, Hieromantie oder Hieroskopie ist eine Wahrsagekunst, die ihr Wissen aus Organen oder anderen Bestandteilen von Opfergaben bezieht. Es kann sich um geopferte Tiere, aber auch um Nahrungsmittel oder den Rauch von Opfergaben wie Wacholder handeln. Meist wird mit diesem Begriff aber die tatsächliche Schau von Opfertieren gemeint, insbesondere die Schau in die Organe. Beschaffenheit und Form von Leber, Galle, Lunge oder Milz geben Auskunft zu den gestellten Fragen.
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Geschichte der Hieroskopie
Geschichtliche Belege über die Wahrsagekunst aus Opfertieren bzw. deren Organen finden sich reichlich. In zahlreichen Völkern der Erde war diese Praxis Brauch. Teilweise ist sie es bis heute. In alten Keilschriften des Alten Orients wird die Organschau zu Wahrsagezwecken ausführlich geschildert. Andere Völker haben zum Teil keine Schriftsprache besessen und folglich auch nicht ihre Traditionen überliefern können. Man weiß aber aus dem europäischen Raum, dass bei den Etruskern und bei den Griechen Hieroskopie betrieben wurde. Auch hier gibt es nur wenige schriftliche Quellen, die man auswerten könnte. Ob die europäischen Völker die Praxis von den Altorientalen übernommen haben, weiß man nicht. Man vermutet es aber. Die Prüfung der Eingeweide eines Opfertieres musste positiv ausfallen, sonst stand Unheil an. Die genaue Untersuchung der Leber nannte man auch Leberschau. In anderen Fällen untersuchte man auch die anderen Organe auf eventuelle Auffälligkeiten, Anomalien oder unglückverheißende Missbildungen. Die Hieroskopie wandte man allerdings nicht jedes Mal an, wenn man ein Tier opferte. Sie wurde vor Allem bei bedeutenden Unternehmen zu Rate gezogen, um die Risiken abzuschätzen. Zog man beispielsweise in einen Krieg, wurden meistens viele Tiere geopfert, um den Beistand der Götter herbeizuflehen. Unter diesen Umständen machte es Sinn, Prophezeiungen über den Ausgang der Schlacht einzuholen. Man wiederholte dies oft direkt vor dem Beginn der Schlacht.
Interpretation und ausführenden Organe
Es gab umfangreiche Interpretationsmöglichkeiten, die aussagten, ob das Befragungsergebnis positiv oder negativ war. Bestimmte Zeichen galten als glückverheißend, andere als unweigerlich Unglück nach sich ziehend. Man beobachtete genau, wie sich der Rauch der geopferten Teile verhielt. Sank er zu Boden oder stieg er in den Himmel? Wurde er in alle Winde zerstreut oder bildete er eine starke aufsteigende Linie? Solche und ähnliche Zeichen waren wichtig. Natürlich versuchte man, einen gewissen Einfluss auf das Ergebnis der Vorhersage zu nehmen, in dem man die Holzscheite für das Feuer auf eine bestimmte Weise aufschichtete. Im Alten Rom und auch in Etrurien durften nur die so genannten Haruspices Organinterpretationen vornehmen. Es waren Priester, die später ein eigenes Kollegium bildeten. Obwohl das so war, war die Leber- und Organschau in Rom als Wahrsagemethode nie bedeutend. Man übernahm diese Aufgabe hauptsächlich für wichtige Senatsmitglieder oder den gesamten Senat. Die Haruspices befassten sich auch mit Vorhersagen aus anderen Dingen, beispielsweise aus Blitzen oder Wunderzeichen. Bei den Etruskern lag das Privileg der Organschau bei den Reichen und Bevorzugten. Erst, als man die Regeln dafür schriftlich niederlegte, übernahmen die Römer die Organschau. Man weiß heute, dass nach dem zweiten punischen Krieg viel mehr Organschauen stattfanden als davor. Selbst zum Bau des Capitols in Rom opferte man Tiere und las Prophezeiungen aus ihren Organen. Die Haruspices verdrängten mit zunehmender Ausdehnung des römischen Reiches die Auguren. Jeder Magistrat hatte einen eigenen Deuter, der kundig war. Doch auch Privatleute konnten sich der Dienste von Haruspices bedienen, allerdings nicht der staatlich organisierten Organdeuter. Man warf den privaten Haruspices vor, weitgehend Scharlatanerie zu betreiben.